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Evidentes Design

Letzten Monat stieg bei Dirk Jesse nochmal die Frage empor, ob dies ein gutes Kommentar-Layout sei (Hauptdebatte):

Screenshot

Mein Einwand:

Schon die Tatsache, daß du die Funktionsweise überhaupt erklären mußt, sollte doch ein deutlicher Hinweis darauf sein, daß da etwas hakt, oder?

Dirks Antwort:

Und Erläuterungen sind ein Gebot der Höflichkeit und per Definition noch kein Beleg dafür, dass etwas hakt.

Ich habe nicht nachgebohrt, weil das Thema dort nicht hingehörte – und weil ich dieses Kommentar-Design nicht als angenehmen Diskussionrahmen empfinde. Aber die Frage beschäftigt mich immer noch.
Denn hier treffen zwei unterschiedliche Sichtweisen aufeinander. Mein – bis dahin eher unbewußter – Grundsatz lautet: Design muß evident sein. Was ich erklären muß, das ist sehr wahrscheinlich kaputt.

Dirks Ansatz, den er mit vielen anderen teilt, lautet: Man kann durchaus komplexe Elemente benutzen, wenn man sie nur erklärt. Das impliziert, daß der Besucher sich auch die Zeit nehmen will, diese Erklärungen zu lesen, und daß er sie versteht.

Uns beide vereint immerhin das Ziel, den Besucher nicht mit unverständlichem Design zu konfrontieren, was der »dritte Weg« wäre. Auch das gibt es ja leider zuhauf.

Mal ein praktisches Beispiel: Ich überlege gerade, ob ich das Antwort-Icon wegnehme, das rechts unter jedem Kommentar steht, denn außer mir benutzt es niemand. Das ist also entweder kein »evidentes Design«, obwohl ich das mal vermutet habe – oder das Element ist schlicht überflüssig, obwohl ich es eigentlich recht praktisch finde.
Eine Erklärung außerhalb des title-Attributes verstieße gegen meine Regel und würde auch keinen dazu überreden, die Funktion doch zu benutzen. Oder doch? Sollte ich vielleicht einen beschrifteten Button nehmen?

Wie geht ihr mit »erklärtem« Layout um? Lest ihr das? Schreibt ihr das? Wie sähe euer Umgang mit meinem Beispiel aus?

10 Kommentare

  1. Eric Eggert am 09.04.2009 · 01:07

    Ich bin völlig deiner Meinung und finde die Anzeige der letzten 5 Kommentare auch willkürlich. Falls ich mir nicht gemerkt habe welche Nummer mein Kommentar hat (und das mache ich in der Regel nicht), dann muss ich eh alle Kommentare anzeigen lassen und dann verliere ich die Position im Text.

    Und wenn ich ganz unten bin, dann ist da kein Kommentarformular. Auch das muss ich suchen. Die gesamte Kommentaransicht ist anders als $user das erwarten würde und ist daher keine optimale Lösung.

  2. Dirk am 09.04.2009 · 09:03

    Etwas schade finde ich, dass Du dieses interessante Thema etwas sehr überspitzt einleitest. Prinzipiell bewegen wir uns hier im Bereich des persönlichen Geschmacks, was die Position der Kommentare im Layout angeht. Wäre die Dynamik nicht drin, wäre die Liste einfach nur noch länger - auch nicht sexy.

    Auch meine Antwort ist etwas aus dem Kontext gerissen, denn die "Erklärungen" betreffen lediglich eine Beschreibung der Funktionalität eines Plugins. Mein damaliger einleitender Artikel zu der Kommentardarstellung enthielt zudem eine ganze Reihe Hintergrundinformationen, die mit der Funktion an sich nichts zu tun haben. Ich bin überzeugt davon - und der überwiegende Teil meiner aktiven Leserschaft scheint mir da zu folgen, dass die Darstellung weit weniger verwirrend ist, als Du und Eric meinen und auch keine ausschweifenden Erklärungen braucht.

    Es stellt sich auch die Frage, ob man dieses Beispiel verallgemeinern sollte, denn es handelt sich schließlich um eine Lösung die ebenfalls in einem bestimmten Kontext (dem umgebenden Design) getroffen wurde.

    Und ganz allgemein ist zu sagen, dass Funktionalitäten, wenn sie über das Triviale hinausgehen, sehr wohl und gern auch online eine kurze Erklärung für den User verdienen, ohne dass sie deshalb kaputt sind. In diesem Kontext gehört meine damalige Antwort.

    Was ich erklären muß, das ist sehr wahrscheinlich kaputt.

    Deine Kernaussage lässt nicht viel Spielraum, deshalb kontere ich mal. Ich programmiere gelegentlich recht umfangreiche Webapplikationen. Bisher kommt keine ohne grundlegende Erläuterungen zur Bedienung aus. Ist meine Arbeit deshalb per Definition schlecht?

    Auch erklärt niemand das "Design", sondern bestimte "Funktionen" einer Webapplikation. Jedes Spiel, selbst Spiele für Kleinstkinder, kommen mit einer Anleitung daher? Sind sie deshalb per Definition kaputt?

    Du merkst, worauf ich hinaus will. Die Frage lautet also eher, welchen Grad an Komplexität können wir - projektbezogen - dem User zumuten. Und diese Frage ist extrem spannend, allerdings auch nicht mit einer solch einfachen Floskel zu beantworten, denn Interface-Design (davon reden wir hier eigentlich) ist hochanspruchsvoll.

  3. Thomas Scholz am 09.04.2009 · 09:41

    @Dirk: Du hast Recht, das habe ich etwas überspitzt dargestellt. Ich wollte damit eher den Auslöser für meine Gedanken darstellen als dich kritisieren. Ich empfinde deine Lösung zwar ebenso verwirrend wie Eric, aber die Diskussion über dieses Detail gehört eher auf deine Seite als auf meine. Den Link auf die Originaldebatte habe ich nachgetragen.

    Meine »Regel« verstehe ich als internes Korrektiv, nicht als Dogma. Die Frage ist nun, wie stark dieses Korrektiv sein soll.

    Ich programmiere gelegentlich recht umfangreiche Webapplikationen. Bisher kommt keine ohne grundlegende Erläuterungen zur Bedienung aus. Ist meine Arbeit deshalb per Definition schlecht?

    Ich schätze deine subtile Polemik wirklich sehr, aber ich verweigere offensichtliche Antworten. ☺
    Testest du diese Applikationen ohne die Hilfetexte? Bei Spielen wird so verfahren. Die Tester bei Ravensburger, Jumbo und anderen Verlagen verwenden bewußt erstmal keine Anleitung, gewichten diese Regel also recht hoch. Dennoch hat jedes Spiel ein Regelwerk …

    Wir haben bei Web-Interfaces die Möglichkeit – den Zwang? – zur nachträglichen Korrektur. Aber was soll man eher verbessern: Die Schnittstelle oder die Erklärung? Ich habe hierzu keine »universellen« Antworten, sondern will nur die Diskussion anstoßen.

  4. Dirk am 09.04.2009 · 10:03

    Ich schätze deine subtile Polemik wirklich sehr, aber ich verweigere offensichtliche Antworten. ☺

    Angekommen. Prima. :-). War natürlich auch überspitzt aber daraus wird deutlich, dass es bei mehr als 2 Leuten auch schnell mehr als 2 Meinungen, Lösungswege usw. gibt und deshalb in einer Diskussion Grauabstufungen so wichtig sind. Nur schwarz & weiß als Ausgangsbasis, das gibt nichts als Grabenkämpfe.

    Zu deiner Frage: Ja, ich teste generell ohne Hilfetexte bzw. lasse testen, um aus dem Feedback Informationen für Verbesserungen des Interfaces und ggf. erforderlicher Hilfetexte zu ziehen. Und auch die Wichtig liegt gefühlt zu 75% beim Interface und erst wenn mir dafür keine bessere Lösung einfällt, kommt ein Hilfetext ins Spiel und auch der durchläuft einige Verbesserungszyklen (Dokus schreiben ist nämlich öde und aufwendig). Dieser Prozess nimmt mitunter mehr Zeit ein als die eigentliche Programmierung dieser Tools.

    Wir haben bei Web-Interfaces die Möglichkeit – den Zwang? – zur nachträglichen Korrektur.

    Ich denke nicht, dass wir bei Web-Interfaces schon soweit sind, selbst für alltägliche Probleme bereits den Stein der Weisen gefunden zu haben. Ich denke, wir stehen in vielen Bereichen noch am Anfang, was bedeutet, dass es auch immer Potential für Verbesserungen gibt. Und schon deshalb probiere ich gern neue Dinge aus und messe den Erfolg an den Reaktionen, als mich mit nicht weniger perfekten Quasi-Standards zufrieden zu geben (Stichwort: Kommentardarstellung). Der Lerneffekt für mich ist dadurch einfach höher, der Spaß am Programmieren neuer Funktionen natürlich auch. Und Kritik gehört dazu. So ist das Leben und nur so geht es vorwärts.

  5. Markus Schmid am 17.04.2009 · 09:04

    Meiner Meinung nach liegt das Problem mit deinem Kommentar-Antwort-Button am Icon. Wenn es im Artikel nicht erwähnt worden wäre, hätte ich auf den ersten Blick vermutlich auch meine Probleme beim Erkennen gehabt. Auf der ganzen Seite werden keine Icons verwendet, sondern nur klassisch unterstrichene Textlinks.

    Ich würde einfach einen simplen "Antworten"-Link verwenden.

  6. Thomas Scholz am 17.04.2009 · 09:25

    @Markus Schmid: Überzeugt. Besser so?

  7. Markus Schmid am 22.04.2009 · 18:03

    Deutlich besser ;-)

  8. Markus Schmid am 22.04.2009 · 18:04

    @Thomas Scholz:
    Sorry, habe vegessen auf den Antworten-Button zu drücken;-)

  9. Sören G. Prüfer am 05.05.2009 · 23:57

    @Thomas Scholz: Bis vorhin habe ich mich gefragt: "Welcher Antworten-Knopf"? Ich sehe keinen, bis ich probehalber JS einschaltete :-)

    So wie die Lösung jetzt ist, ist sie selbsterklärend und ich habe sie intuitiv richtig genutzt ;-)
    Der Begriff Intuition wird bei uns immer bei solchen Diskussionen verwendet. Aber was ist intuitiv? Das hängt vom Nutzer, Vorwissen, Tagesform, Aufgabe etc. ab.

    Das Ziel (Ideal) wäre also evident zu sein, dies kann aber nur bei genügend Vorwissen erreicht werden. Hier kann man für das letzte Quantil durchaus auch Hilfetexte anbieten und hat einen guten Kompromiss.

    Übrigens Klasse Seiten... Ich habe sie erst heute entdeckt.

  10. Thomas Scholz am 06.05.2009 · 00:20

    @Sören G. Prüfer: Eigentlich sollten Inhalte, deren Aussage ohne Javascript gar nicht erfaßt werden kann, auch nur nur per Javascript erzeugt werden … aber in diesem Artikel mußte ich da mal eine Ausnahme machen.

    Von Intuition kann man bei Weboberflächen eigentlich nur sehr selten reden; diesen Ausdruck vermeide ich lieber. Auch Evidenz ist ein wackeliges Konzept; hier liegt der Schwerpunkt aber eher auf dem Verstehen als auf dem Reagieren.

    Irgendwie habe ich ohnehin oft den Eindruck, daß uns unterhalb der Buzzword-Ebene noch viele internetspezifische Begriffe fehlen … beispielsweise für das fantastische Gefühl, funktionierenden Code geschrieben zu haben – oder für eine einleuchtende Weboberfläche. ☺

    Und Danke für das Lob. Zum Stöbern lädt vermutlich (noch) die Komplettübersicht am besten ein, die du mit Javascript auch umsortieren kannst. Gerade die ersten Artikel liegen mir sehr am Herzen. Sollte ich vielleicht mal auf der Startseite hervorheben …