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Separiert verbunden

Gestern hat uns Opera mit einem neuen Feature erstaunt: Opera Unite.

Der Browser agiert jetzt als Webserver, und er kann direkten Kontakt mit anderen Rechnern aufbauen. Lokale Webserver gibt es schon lange, direkte Verbindungen zwischen Rechnern auch. Neu sind die Kombination im Browser und die extrem einfache Bedienung. Mit ein paar Klicks kann sich jetzt jeder einen Chat einrichten, ein Fotoalbum, eine Pinwand … sicher werden wir bald noch viel mehr Anwendungen sehen. Die heißen bei Opera übrigens Services und sind im Kern ähnlich wie die längst bekannten Widgets aufgebaut.

Da unsere aktuelle Regierung gerade heftig daran »arbeitet«, das Internet der zentralen Server möglichst schnell zu entwerten, paßt Operas Angebot einer geschlossenen direkten Kommunikation eigentlich besser, als ich mir das gewünscht hätte. Konsequenterweise sollte Opera bald auch die öffentlichen Oberflächen des neuen Dienstes verschlüsseln, also per HTTPS anbieten, denn die werden noch über einen Opera-Proxy abgehandelt.

Ich erwarte, daß andere Browseranbieter hier irgendwann nachziehen; vielleicht finden sie ja sogar einen einheitlichen Standard. HTML 5 sieht eine Speicherung von Daten beim Client vor – von hier ist es nicht mehr weit bis zu Operas Sandbox, in der komplette Anwendungen ausgeführt werden.

Die Desktopprogramme gehen ins Netz, selbst die Betriebssysteme. Jetzt, im Nachhinein, sieht Google Wave, das immerhin auf einem eigenen Webserver aber noch mit öffentlicher Domain betrieben werden soll, und Opera mit der Verlagerung des Webservers auf den lokalen Rechner geradezu logisch aus: Physische Standorte welcher Software auch immer werden in Zukunft vermutlich wie Relikte des prämobilen Zeitalters anmuten.

Aber noch sind wir nicht so weit. Breitbandanschlüsse, Vorausssetzung für einen zügigen Upload der lokalen Angebote, sind in Deutschland noch längst nicht der Normalfall – die »Medienstadt« Halle Saale beispielweise hat mehr Gräber als DSL-Anschlüsse.
Wer sich also einer miesen Infrastruktur ausgeliefert sieht, wird einmal mehr betraft: Schon jetzt ist das Web langsamer für ihn, bald wird es auch dünner sein.

Immerhin bringt Opera mit der Version 10 auch einen Turbo-Modus mit: Wenn man ihn anschaltet, werden sämtliche Webseitenaufrufe durch einen Proxyserver geschleust, der die Inhalte – Texte und Bilder – komprimiert. Auch dieser Service hat noch Macken, aber er behebt immerhin einige Probleme. Wie gut er mit Unite zusammenarbeitet, werden wir noch sehen …

Wird das Web 3.0 – Google Wave, Opera Unite und die folgenden Anwendungen – ein Hidden Web sein? Mit flüchtigen Adressen, hinter Paßwörtern vermauert und nicht permanent verfügbar? Ein Facebook auf Wanderschaft?

Was können, was sollen wir dagegen tun?

Nun will ich diesen Text aber nicht zu pessimistisch beenden; daher werfe ich hier mal ein paar Ideen in den Raum, die ich gerne selbst umsetzte, aber vermutlich mangels Zeit nie zustandebringe. Wer als erster eine dieser Ideen als Unite-Service umsetzt, bekommt hier einen separeten Hurra-Beitrag, versprochen!

  • Ein lokales WikidPad ohne Umbau der Datenbank als Website anbieten.
  • Eine Liste »befreundeter« Unite-Nutzer als Sidebar der Startseite samt Anzeige des Online-Status’.
  • Ein Schachspiel, bei dem nicht nur zwei gegeneinander antreten, sondern andere auch zusehen und kommentieren können. Mit permanenter Statistik.
  • Eine Todo-Liste, die Andreas’ Visionen weitgehend umsetzt.
  • Wave.

Oh, meine Unite-Seite findet ihr unter: http://home.toscho.operaunite.com. Wenn ich online bin.

Nachtrag (17.06. 13:50)

Chris Messina hat Opera Unite sehr kritisch betrachtet – ein lesenwerter Artikel. Lawrence Eng, Product Analyst bei Opera Software, hat darauf geantwortet, und auch diesen Beitrag empfehle ich euch.
Neben den Lizenz- und Nutzungsrechten scheint mir die meiste Verwirrung um die Frage der Kommunikation zwischen den einzelnen Rechnern zu bestehen.

Die Kommunikation kann entweder über den Opera-Proxy laufen oder – wenn die technischen Bedingungen vorhanden sind – direkt per UPnP. Lawrence Eng:

When possible (depending on one’s router and the design of particular Unite services), Opera Unite supports UPnP (enabled by default) so that users can bypass Opera’s proxy service. Even when that proxy service is used, the data that passes through it is not stored by Opera.

Ich habe das noch nicht ausprobiert, geschweige denn im Detail analysiert, daher kann ich nicht beurteilen, wie brauchbar die genaue Implementation ist. Sicher ist nur: Abschließende Urteile einen Tag nach der Freigabe des ersten rohen Entwurfs kommen ein bißchen … früh.

Nachtrag (17.06. 20:00)

Haavard K. Moen hat auch auf Chris Messinas Artikel geantwortet: Responding to Unite misconceptions. Da kommt endlich mal ein bißchen sanfter Humor in die Debatte:

So in the end I'm genuinely puzzled as to what the point of his blog post was.

5 Kommentare

  1. Klaus am 17.06.2009 · 07:51

    Moin Thomas,

    dieser Beitrag läßt sich im Google Reader nicht anklicken, d.h. man wird zum vorherigen Beitrag (Authentifizierung mit PHP und UTF-8) geleitet.
    Das liegt daran weil die Schrift des Authentifizierungsbeitrags bei mir im Reader derartig groß ist, das deren Verweis den Verweis deines neuestens Beitrages überlagert.

    Es ist der einzige Beitrag im Google Reader der so dargestellt wird und ich verfolge mittlerweile eine Menge Websites damit.

    Versehen? Fehler vom Google Reader? Nur bei mir so?

    Gruß
    Klaus

  2. Thomas Scholz am 17.06.2009 · 11:10

    Das könnte eigentlich nur passieren, wenn der vorherige Beitrag nicht geschlossene Elemente enthält. Tut er aber nicht. Wird ein Bug im Google Reader sein.

  3. andreas am 17.06.2009 · 11:52

    Ich bin auf den ersten Blick von Unite recht begeistert! Kann ich doch jetzt schnell meine Musik Kollegen zur Verfügung stellen. Kann ich mein Picasa Webalbum löschen inkl. Picasa auf meinem Rechner. Terminabsprachen per Pinwand tätigen. Alles vorausgestzt mein Computer ist None-Stop im Einsatz.
    ABER

    Ist es es mit Unit nicht ein leichtes illegal Musik, Filme oder gar kinderpornographische Inhalte anzubieten, ohne das dies entdeckt wird?

  4. Thomas Scholz am 17.06.2009 · 12:00

    @andreas: Das Anbieten illegaler Inhalte ist jetzt schon möglich: Per Mail oder indem man einfach ein paßwortgeschütztes Archiv bei Rapidshare oder ähnlichen Anbietern hinterlegt. Das ist nie eine Frage bestimmter Software gewesen.

    Auf die Idee, die Pinnwand für Terminabsprachen zu benutzen, bin ich freilich nicht gekommen. ☺

  5. Guido am 17.06.2009 · 14:10

    Was Opera primär und nachhaltig mit diesem Dienst geschafft hat, ist schlecht konfigurierte Unternehmens-Firewalls zu umgehen! Ich bin gespannt, wann das erste Plugin kommt, das im lokalen Netz als Sniffer fungiert :) Und das Tolle daran ist, es braucht noch nicht einmal UPnP dafür, da Port 80 noch nicht einmal geöffnet werden muss. Stattdessen würde in diesem Fall die Verbindung über einen Opera-Proxy erfolgen. Frei nach dem Motto: raus geht’s immer und wir wissen schon was wir tun geht somit die Sicherheit im Unternehmen sehr einfach, sehr schnell und sehr nachhaltig flöten.